22.07.2010

Pressemitteilungen

22.07.10
 

„Wir schauen hin“


Landkreis Emsland initiiert Studie zur Gewaltbereitschaft von Kindern und Jugendlichen – Befragung abgeschlossen

Meppen. Im März dieses Jahres sind die ersten organisatorischen Vorbereitungen getroffen, anschließend bis zum Beginn der Sommerferien Befragungen an emsländischen Schulen durchgeführt worden: Das gemeinsame Projekt „Jugendliche als Opfer und Täter von Gewalt. Schülerbefragung im Landkreis Emsland 2010“ von Landkreis Emsland und dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) ist angelaufen und tritt nun in die Phase der Datenerfassung und -auswertung ein.


„Wenngleich das Emsland von extremen Gewalttaten durch Jugendliche bislang verschont blieb, ist eine vorbeugende Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt wichtig“, erläutert Landrat Hermann Bröring die Gründe für die wissenschaftlich gestützte Befragung. Die Studie soll die real erlebte Gewalt und Ausgrenzung von Kindern und Jugendlichen abbilden, um zielgerichtete Angebote und Hilfen für Betroffene – seien es Opfer oder Täter – schaffen zu können, so Bröring. Von der Studie ginge auch eine Signalwirkung aus: „Wir schauen hin, wir kümmern uns“.

Die so genannte Dunkelfeldbefragung unter Kindern und Jugendlichen der vierten, siebten und neunten Jahrgangsstufen aller Schulformen fand kreisweit statt. Anonym und freiwillig haben die Schüler während des Schulunterrichts schriftlich u. a. zu Gewalterfahrungen als Täter oder Opfer, zu anderen Formen von Jugenddelinquenz wie etwa Ladendiebstahl, Sachbeschädigung, Einbruch und Drogenkonsum sowie – handel, zu ausländerfeindlichen Einstellungen und rechtsextremen Verhaltensweisen, zur Integration von Migranten und zu ihrem Medienkonsum, darunter vor allem das Nutzungsverhalten von Computerspielen, Auskunft gegeben.

Zudem stand mit der moralischen Identität ein weiterer Aspekt auf dem Fragebogen, der klären soll, inwieweit diese Identität vor der Ausübung delinquenten Verhaltens schützen kann. Bislang habe sich das Institut in seinen Befragungen solchen Schutzfaktoren nicht zugewendet; es hätten vielmehr die Risikofaktoren im Vordergrund gestanden. Aber: „Das Emsland eignet sich zur Untersuchung von Schutzfaktoren in besonderer Weise, weil davon auszugehen ist, dass es hier noch einen starken sozialen Zusammenhalt gibt und viele Jugendliche klare Normen und Werte vermittelt bekommen“, heißt es in der Projektbeschreibung des Instituts. In diesem Zusammenhang hat das Forschungsinstitut neben den Schülern auch rund 800 Eltern zu ihren Erziehungspraktiken und ethischen Grundwerten befragt.

122 Schulen im Landkreis Emsland sind einbezogen worden. Insgesamt rund 1800 Kinder von derzeit rund 3800 Viertklässlern im Landkreis Emsland wurden im Projekt erfasst. Dabei gab es inhaltliche Überschneidungen mit der Befragung der älteren Jahrgänge, wobei sich die Auswahl der Themen auf den Bereich delinquentes Verhalten, familiäre Rahmenbedingungen, Freizeitaktivitäten und Medienumgang sowie Schulerfolg beschränkte. Etwa 930 Siebtklässler von emslandweit insgesamt etwa 3800 Schülern dieses Jahrgangs haben in einer repräsentativen Stichprobe Auskunft gegeben. In den neunten Klassen ist bei der Befragung mit rund 3300 von derzeit etwa 3800 Schülern im Alter von 14 bis 16 Jahren nahezu eine Vollerhebung durchgeführt worden. Die Neuntklässler stehen im Blickpunkt der Befragung, da die Alterskriminalitätskurve in diesem Alter relativ hoch ist, sich späterhin aber auswachsen kann. Auch die so genannte Viktimisierungsrate, also die Anzahl der Personen, die bereits Opfer geworden sind, ist in diesem Alter beachtlich. „Mein Dank geht an die Schulen, ohne deren Unterstützung diese Studie nicht möglich gewesen wäre“, sagt Bröring.

Das Projekt läuft insgesamt über zwölf Monate. Ein erster Zwischenbericht ist für November 2010 vorgesehen. Die zentralen Ergebnisse sollen im Februar 2011 präsentiert werden. Der Landkreis Emsland trägt die Kosten des Projekts in Höhe von rund 60.000 Euro.

Hintergrundinformation: Das KFN ist ein unabhängiges, interdisziplinär arbeitendes Forschungsinstitut in Trägerschaft eines gemeinnützigen Vereins und betreibt als selbständige Forschungseinrichtung praxisorientierte kriminologische Forschung. Ihr Vorstand ist Prof. Dr. Christian Pfeiffer.