Pressemitteilungen
22.03.2011
Landrat Bröring im Interview
Meppen. Seit zwei Wochen ist es amtlich: Landrat Hermann Bröring plant, Ende Oktober in den vorzeitigen Ruhestand zu gehen. Bis zum Herbst hat sich der Landrat noch einiges vorgenommen. Im Interview mit der Ems-Zeitung sprach er über die Projekte, die er noch voran bringen möchte, über die Entwicklung der Häfen und vieles mehr: Sie haben vor einigen Tagen Ihren Rückzug aus dem Amt zum Oktober bekannt gegeben. Drosseln Sie nun Ihr Tempo? Ich liebe das Emsland und meine Aufgabe. Deshalb werde ich weiter so arbeiten wie bisher. Ich möchte keine Baustelle zurücklassen, die in ihren Grundzügen nicht geordnet ist. Was ist für Sie die wichtigste Angelegenheit, die Sie bis zum Herbst noch voranbringen wollen? Ich möchte den Ausbau der E 233 so weit voran bringen, dass der selbstgesetzte Zeitplan eingehalten werden kann. Die Zukunftsregion Gesundheit muss arbeitsfähig und die Grundzüge für den Naturpark Hümmling müssen auf den Weg gebracht werden. Des Weiteren ist es Auftrag des Kreistages, einen Vorschlag für die Veränderung des § 35 Baugesetzbuches zur Eindämmung der Auswüchse einer agrarindustriellen Entwicklung abzuarbeiten. Was ist denn mit Blick auf die E 233 noch zu tun? Das Ergebnis des verkehrswirtschaftlichen Gutachtens ist so gut, dass wir mit dem Klammerbeutel gepudert wären, wenn wir dieses Faustpfand nicht nutzen würden. Das verpflichtet uns, die Planfeststellung zügig voran zu treiben und in jetzt laufenden Bürgerversammlungen die Bürger mitzunehmen. Es verpflichtet uns auch, zu diesem Zeitpunkt mit dem Bund Gespräche über die Finanzierung zu führen und dabei ebenfalls über Sonderfinanzierungsformen wie der öffentlich-rechtlichen Partnerschaft nachzudenken. Hier die Eckpunkte noch in meiner Amtszeit zu fixieren, wäre wunderbar. Haben Sie bereits mit Unternehmern in der Region über eine ÖPP-Finanzierung gesprochen? Wir sind mit regionalen Baufirmen seit Jahren dazu im Gespräch. Wünschenswert wäre eine Regelfinanzierung mit Bundesmitteln. Dies dürfte aber angesichts des auch notwendigen Baus der Küstenautobahn schwierig werden. Also sind auch Sonderfinanzierungsmodelle auszuloten. Das braucht seine Zeit und muss meines Erachtens parallel zu den derzeit laufenden Planungen geschehen. Im Landkreis Emsland gibt es den Schulterschluss zwischen Kreisverwaltung und Gemeinden, der in anderen Kreisen keineswegs selbstverständlich ist. Bleibt es langfristig dabei? Ich wünsche mir das. Es war rückblickend unsere große Stärke, dass wir über einen vorhandenen Grundkonsens schnelle Entscheidungen treffen und damit wichtige Entwicklungen für die Region anstoßen konnten. Uns sind viele runde Tische der organisierten Unverantwortlichkeit erspart geblieben. Nichtsdestotrotz wird man auch die von uns in den vergangenen Jahren begonnenen öffentlichen Hearings und Konferenzen weiter ausbauen und verstetigen müssen. Das kann dazu führen, dass Entscheidungswege länger werden. Was bedeutet das für Sie? Gehen Sie zum richtigen Zeitpunkt? Jede Zeit hat ihren Typen. Ich war in der glücklichen Lage, dass ich als eine der führenden Kräfte im Emsland immer wieder großen Zuspruch aus der Bevölkerung erfahren habe. Ich glaube aber, nach 20 Jahren ist ein Wechsel richtig, und so wie jeder Mensch ein Individuum ist, wird damit auch ein anderer Stil geprägt. Was versprechen Sie sich von einem Naturpark Hümmling? Zunächst erinnere ich an die Skepsis in der Landwirtschaft, als es um das Thema Bourtanger Moor ging. Heute ist davon nichts mehr zu spüren. Auch bei einem Naturpark Hümmling muss die Landwirtschaft nicht besorgt sein, dass ihre Berufsmöglichkeiten eingeschränkt werden. Es werden keine Fesseln angelegt. Der Hümmling mit seinem großen Waldbestand ist ein originäres Gebiet für Landschaftsschutz und Tourismus. Ich bin überzeugt, dass es einen Dreiklang Natur-Tourismus-Landwirtschaft geben wird. Fest steht: Auf dem Hümmling kann mit Tourismus Geld verdient werden. Er ist für einge gute weitere Tourismus-Zukunft nötig. Schauen wir auf die Infrastruktur. Sie haben sich zuletzt sehr der Entwicklung der Häfen im Emsland zugewandt... Ja, denn ich bin überzeugt, dass eine gute Infrastruktur die Basis unseres Erfolges ist und bleibt. Schauen wir auf den Süden nach Salzbergen und Spelle/Venhaus: Dort haben die Windkraft-Hersteller Bedarf angemeldet. Somit haben wir gehandelt, denn das trimodale System – Schiene, Straße, Wasser – gibt es zwischen den Niederlanden und Hannover nur in Spelle/Salzbergen. Dieser Standort wird nach der Aufwertung des Hafens eine erfolgreiche Entwicklung nehmen, ähnlich wie der vor einigen Jahren neu gebaute Eurohafen in Meppen/Haren. Auch das Güterverkehrszentrum in Dörpen wird sich weiterentwickeln. Und Papenburg. Dort sind Millioneninvestitionen in den Ausbau und die Sanierung der Seeschleuse erforderlich. Was unternehmen Sie als Kreis, um hier die Weichen mitzustellen? Richtig, die Schleuse muss saniert werden, das kostet Geld. Auf unsere Veranlassung hin, ist von der Logistic Network Consultants GmbH ein hochinteressantes Gutachten zur Entwicklung des See- und Binnenhafens Papenburg erstellt worden. Dieses Konzept zeigt, dass wir einen erheblichen Handlungsbedarf haben und dass der Papenburger Hafen nicht nur aus der Meyer Werft und den Unternehmen Schulte und Bruns besteht, sondern viele zusätzliche Facetten aufweist. Das bisher von der Stadt Papenburg vorgelegte Entwicklungskonzept hat allein schon wegen des bezifferten Kostenaufwandes viele zurückschrecken lassen und musste zunächst einmal durch ein Funktionalkonzept unterlegt werden. Ich halte mehr davon, in kleinen realistischen Schritten vorzugehen, weil dann aus meiner Sicht auch eher Fördermittel, die zweifellos notwendig sind, eingeworben werden können. Wie meinen Sie das? Auf der Basis dieser Methodik, und dies hat auch der Gutachter festgestellt, kommt es auf Folgendes an: Kommunizieren eines klaren Profils des Papenburger Hafens, professionelle Vermarktung, aber vor allem Schaffung von verlässlichen Netzwerkstrukturen unter verbindlicher Einbeziehung aller Interessen, der im Hafen ansässigen Unternehmen. Wir brauchen einen professionellen Kümmerer und dann sind wir bei einer Struktur wie wir sie erfolgreich am Eurohafen in Meppen-Haren und jetzt in Spelle-Salzbergen umgesetzt haben. Deshalb werde ich der Stadt Papenburg vorschlagen, mit den Unternehmen im Hafen, der Stadt und dem Kreis eine entsprechende Netzwerkgesellschaft zu gründen. In den Strukturen des Sports tut sich im Emsland auch vieles, allen voran die Gründung des Fußball-Leistungszentrums in Meppen. Wird der Kreis auch hier den Aufbau unterstützen? Ja, ich halte eine finanzielle Unterstützung für sinnvoll. Es kann sich aber nur um eine zeitlich befristete Förderung handeln. Wir werden den Bau des Kunstrasenplatzes mit fördern und in den ersten Jahren einen Zuschuss für die laufenden Kosten geben. Sport ist für mich ein Standortfaktor. Das Fußballzentrum ist eine gute Ergänzung zu den Aktivitäten, die Kreis, Wirtschaft und Kreissportbund seit Jahren mit der Sporthilfe Emsland leisten. In Papenburg wird über die Ausrichtung einer Landesgartenschau in 2014 diskutiert. Dabei steht die Finanzierung im Mittelpunkt. Was kann aus Ihrer Sicht der Kreis dazu beitragen? Ich halte es für sinnvoll, nicht gleich mit einer zweistelligen Millioneninvestition die Planungen zu beginnen, sondern zunächst zu schauen, was zwingend erforderlich ist und dann Schritt für Schritt vorzugehen. Dann kann man immer noch weitersehen. Für mich war es sehr beeindruckend, dass die Papenburger Gartenbaubetriebe sich klar zu einer Gartenschau bekennen. Stadt, Kreis und Land können einen Teil finanzieren, die örtliche Wirtschaft muss aber auch mit einsteigen. Und wenn es in Papenburg nichts wird, dann steht Sögel als Alternative parat? Erst sind die Chancen von Papenburg auszuloten, dann sehen wir weiter. Themenwechsel. Die Gedenkstätte in Esterwegen steht vor der Eröffnung. Was bedeutet dieses Projekt für Sie? Das ist für mich persönlich ein sehr wichtiges Projekt. Die Emsländer haben sich über lange Jahre schwer getan, sich in der gebotenen Differenzierung mit der Geschichte der Emslandlager auseinanderzusetzen. Es ist ihnen auch angesichts globaler Vorwürfe von außen nicht immer ganz einfach gemacht worden. So hat es wohl eines zeitlichen Abstandes bedurft, um sich offen auf dieses Thema einzulassen. Hier hat in den vergangenen Jahren zweifellos auch das DIZ in Papenburg seine Verdienste erworben. Bei der Einweihung der Gedenkstätte im Oktober werden wir dokumentieren, dass die Lager ein Teil unserer emsländischen Geschichte sind. Wir werden damit auch gleichzeitig einen zentralen Ort haben, an dem wir die jetzige und nachfolgende Generation daran erinnern können, immer wachsam zu sein und genau aufzupassen, wohin sich eine Gesellschaft entwickeln kann. Schauen wir zum Abschluss auf die Kreisfinanzen: Sie scheiden mit dem geringsten Schuldenstand und der höchsten Rücklage aus dem Amt. Was ist das Erfolgsrezept? Der Kreis hat sich in wirtschaftlicher Hinsicht hervorragend entwickelt, weil unsere Städte und Gemeinden immer gute Gewerbesteuereinnahmen hatten. Viel wichtiger aber ist, dass wir über die letzten zwanzig Jahre immer wieder alle Ausgabeposten im Haushalt sehr genau auf den Prüfstand gestellt haben. Es ist immer die Politik des Kreistags gewesen, Investitionen dann zu tätigen, wenn sie für eine öffentliche Einrichtung rentierlich sind. So sorgte die wirtschaftsnahe Infrastrukturförderung für Steuereinnahmen mit denen wir Sozial-, Kultur- und Sportpolitik betreiben konnten. Davon profitieren alle, die Bevölkerung und damit Städte, Gemeinden und der Kreis. Wirtschaft muss Vorfahrt haben – dieser Gedanke ist und bleibt richtig. Zurück zu Ihrem Ausscheiden: Es kommt vereinzelt Kritik auf, dass Sie mit vielen Projekten und dadurch resultierenden Ausgaben die Handlungsspielräume ihres Nachfolgers einschränken... Diesen Gedanken kann ich nicht nachvollziehen. Nur, weil das Ende meiner Amtszeit naht, kann ich nicht auf die Umsetzung von Projekten verzichten, die für die Region wichtig sind. Was muss aus Ihrer Sicht ein Nachfolger haben, um erfolgreich in Ihre großen Fußstapfen treten zu können? Ich glaube, die Fußstapfen sind zu füllen. Ich wünsche, dass meine Nachfolger die Aufgabenfelder erkennen, die die Region zukunftsfähig machen, und sie dabei die Unterstützung des Kreistages haben. Nicht selten hat Ihre Woche an die 100 Arbeitsstunden. Das ist bald vorbei. Sie sind für Weitsicht und strategisches Denken bekannt. Was macht jemand, der beruflich von 100 auf Null herunterfahren muss? (lacht) Die Frage stelle ich mir auch jeden Tag. Aber ich glaube, ich kann sie noch nicht wirklich beantworten. Mein Problem ist, dass ich eine Aufgabe ganz oder gar nicht mache; nur ein bisschen geht für mich nicht. Fest steht aber, dass ich deutlich mehr Freiräume haben möchte. Daher werde ich mir genau überlegen, was ich zukünftig machen kann. Sie werden also weiter gesellschaftlich aktiv bleiben? Ja. Ich habe immer ehrenamtliches Engagement gefordert und werde mich nun selbst dieser Forderung stellen. (Quelle: Ems-Zeitung, 19. März 2011)