15.11.2018

„Ein solcher Ort macht etwas mit einem“

Berufsorientierung und Persönlichkeitsbildung: Sarah Andrees absolviert FSJ in Gedenkstätte Esterwegen

 

Esterwegen. „Wenn man die Geschichte kennt, kann man Gegenwart und Zukunft besser verstehen und einordnen“, sagt Sarah Andrees. Die 18-Jährige aus Heede hat im September ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) „Politik“ bei der Gedenkstätte Esterwegen aufgenommen.

 

Das FSJ biete Gelegenheit, „sich selbst besser kennenzulernen“, sagt sie. Neben der Persönlichkeitsbildung spielt aber auch die berufliche Orientierung eine Rolle. Ob sie nach dem Freiwilligen Jahr ein Studium der Geschichte im Rahmen einer Lehramtsausbildung aufnehmen werde, sei noch offen, sagt Sarah.Möglichkeiten, die pädagogische Arbeit als Vorgriff auf eine spätere Berufstätigkeit als Lehrerin kennenzulernen, bietet der Arbeitsalltag in der Gedenkstätte aber einige: Sarah begleitet Führungen von Besuchergruppen durch die Gedenkstätte und hilft bei Fragen weiter. Aber sie registriert auch Bücher im computergestützten Bibliothekssystem der Stiftung und bearbeitet Arbeitsbögen für Jugendgruppen.

 

Es gibt auch Überlegungen, als großes Arbeitsprojekt dieses freiwilligen Jahres die rund 80 archivierten, teils mehrstündigen Zeitzeugeninterviews von ehemaligen Häftlingen des Lagers Esterwegen in eigene Themenbereiche wie „Alltag im Lager“, „Essen“ und „Zwangsarbeit“ zu verschlagworten, um so schnelleren Zugriff auf sie für mögliche weitere Verwendungen zu haben. „Wir wissen alle, dass wir kaum noch Zeitzeugen haben, aber diesen Schatz an Interviews“, sagt Kurt Buck vom Verein Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager, Kooperationspartner der Gedenkstätte. Diese Interviews eröffneten nach entsprechender Bearbeitung neue Angebote mit hoher Authentizität beispielsweise an den Hörstationen in der Ausstellung oder aber in Präsentationen für Schüler, so Buck.

 

Aus 13 Bewerbern wurde Sarah ausgewählt. „Die Zahl der Bewerbungen nimmt immer weiter zu“, stellt Buck fest. Überwiegend bekundeten Frauen Interesse. Und Dr. Andrea Kaltofen, Geschäftsführerin der Stiftung, betont: „Wir haben in jedem Jahr eine FSJlerin oder einen FSJler in der Gedenkstätte. Wir sehen es als Verpflichtung an, einen FSJler zu beschäftigten. Ein solcher Ort macht etwas mit einem“.

 

Das bekräftig auch Sarah: „Wenn ehemalige Häftlinge wüssten, dass junge Menschen sich mit der Geschichte auseinandersetzen, würde es sie freuen, dass ihr Schicksal nicht vergessen wird. Es hat einen Sinn“. Sie hat für sich festgestellt, dass das Interesse an diesem Ort und an der Geschichte bei Jugendlichen auf jeden Fall vorhanden sei. Allerdings findet sie auch, dass heute oftmals Menschen mit anderer Meinung wenig Toleranz entgegen gebracht werde. „Das ist erschreckend, wenn man hier arbeitet und sieht, welche Auswirkungen das haben kann“, sagt sie.

 

Was sie sehr schätzt, ist die Arbeitsatmosphäre: „Ich habe mich gleich willkommen und gut aufgenommen gefühlt“, sagt sie. Auch der Austausch mit weiteren Teilnehmern des FSJ in anderen Institutionen und das begleitende Bildungsangebot wie ein- und mehrtägige Seminare sowie Hospitationen in anderen Einrichtungen sprechen sie an.

 

Weitere Informationen zum FSJ „Politik“ unter www.ijgd.de/dienste-in-deutschland/fsj-politikdemokratie.html

 

Weitere Informationen zur Stiftung Gedenkstätte Esterwegen unter www.ijgd.de/dienste-in-deutschland/fsj-politikdemokratie.html

 

Bild: Sarah Andrees registriert Bücher in der Bibliothek. Das ist eine Aufgabe von vielen anderen, die sie in der Gedenkstätte Esterwegen als FSJlerin übernommen hat. (Foto: Landkreis Emsland)